Rechtshilfe und Sicherheit für Shania

Doris Lange | Foto: NIUS mit freundlicher Genehmigung

Rechtshilfe: Unterstützung einer Irakerin vor der Abschiebung und dem sicheren Tod

Frauen zählen in vielen islamischen Ländern weniger als Männer. Der Irak zum Beispiel hat im Januar 2025 eine Verordnung verabschiedet, der islamischen Gerichten mehr Befugnisse in Familienangelegenheiten, einschließlich Heirat gibt. Diese Änderung, so die Iraqi Women’s League, ermögliche die Verheiratung von Mädchen bereits im Alter von neun Jahren.

Auch Shania (Name von der Redaktion geändert*), die vor ihrer Familie und der ihres Ex-Manns aus dem Irak geflohen ist, um ein Leben in Freiheit zu führen, kennt den Stellenwert von Frauen dort nur zu genau. Sie ist nach Deutschland gekommen, hat sich vom Islam losgesagt und ist zum Christentum konvertiert. Sie weiß, dass ihr der Tod droht, sollte sie Deutschland verlassen müssen. Die Behörden drohen ihr mit Abschiebung, gegen die sie derzeit rechtlich vorgeht. Shanias anwaltliche Verteidigung kostet jedoch Geld, das sie nicht hat.

Frauenheldinnen sammeln für Shania, damit sie auf dem Rechtsweg dafür kämpfen kann, nicht in ein Land zurückkehren zu müssen, in dem sie als Frau und Abtrünnige vom Islam die „Familienehre“ beschmutzt hat und diese nur wiederhergestellt werden kann, wenn sie stirbt.

 

Shanias Geschichte ist exemplarisch für Frauen, die allein aus islamischen Ländern fliehen. Sie berichtet mit eigenen Worten über die Stellung der Frauen im Irak, ihre Flucht und darüber, wie es ist, als geflüchtete Frau aus einem muslimischen Land in Deutschland anzukommen, und welchen Herausforderungen sie dabei unter anderem in den Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete trotzen musste.

2024 stellten Frauen und Mädchen nur rd. ein Drittel aller Asylanträge, darunter waren viele Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 18 Jahren. Die meisten Frauen kommen in Begleitung ihrer Familien nach Deutschland. Alleinreisende Frauen – vor allem aus dem Mittleren Osten – sind eine Minderheit. Die Stellung der Frauen in diesen Ländern ist bekannt. Auch dass sie bei Rücküberführung in ihre Heimatländer schweren Repressionen oder dem Tod ausgesetzt sind. Es ist daher unverständlich, dass das Asylgesuch von Frauen wie Shania, die vor der geschlechtsspezifischen Unterdrückung – und nicht etwa aus wirtschaftlichen Gründen – aus ihrer Heimat geflohen sind, von deutschen Behörden abgelehnt wird.

Shanias Geschichte

In den Medien ist bislang wenig über das Leid der irakischen Frauen zu hören. Die Iranerinnen sind recht präsent, von den Irakerinnen hört man jedoch kaum etwas. Das liegt unter anderem daran, dass irakische Frauen ohne Erlaubnis und Begleitung nicht allein reisen dürfen, insbesondere unverheiratete Frauen nicht. Die Gesellschaft versucht, die Frauen klein zu halten, nicht stark zu machen, wie in Europa. In Irak wird nicht nur die Religion, sondern auch die Tradition genutzt, um Frauen zu unterdrücken. Es ist schwierig, diese Unterdrückung öffentlich zu machen, denn die Gemeinschaft verhindert es. Deshalb hört man davon auch so wenig.

Ich habe in einer Umgebung gelebt, in der Frauen vielen Beschränkungen unterworfen sind. Die Gesellschaft dort respektiert Frauen nicht. Ich entschied mich daher, vor meiner Familie und aus dem Irak zu fliehen, um mein Leben zu retten und endlich in Freiheit leben zu können. Allerdings darf man es sich nicht so vorstellen, dass meine Familie nur aus drei, vier Personen besteht. Im Irak umfasst eine Familie leicht einmal Hunderte von Personen. Als meine Familie entdeckte, dass ich fliehen wollte, wollte sie mich wegsperren und letzten Endes töten.

„Ehrverbrechen“ rechtfertigen im Irak die Tötung von Frauen

Warum wollten sie mich töten? Dazu muss man wissen, wie die Sicht von Familien im Irak auf Frauen ist, die sich gegen sie auflehnen. Die Frauen sind sowohl gesetzlich als auch sozial und religiös unterdrückt. Lehnen sie sich auf oder tun sie etwas, das der Religion oder den Traditionen widerspricht, begehen sie sogenannte Ehrverbrechen.

Ein Beispiel: Wenn zum Beispiel ein Mädchen sich verliebt und Worte benutzt wie „Ich liebe dich“ oder „Ich vermisse dich“, gilt sie bereits als ehrlos. Das Gleiche gilt, wenn eine Frau den Hijab verweigert oder eine sexuelle Beziehung eingeht. Zweifelt eine Frau religiöse Regelungen an, ist das ebenfalls ein Grund, sie zu töten. Denn allein diese Art von Zweifel ist inakzeptabel.

Gesellschaftliche Akzeptanz von Frauenmorden

Die Tötung von Frauen, die sich widersetzen, geschieht mit Unterstützung der Gemeinschaft. Oft wird dieser Mord als Selbstmord dargestellt, der er nicht ist. Auch Männer töten immer wieder ihre Frauen, deren Leichen dann verscharrt oder in die Wildnis gebracht und den dort lebenden Tieren zum Fraß überlassen werden. Manche Frauen werden auch von ihren Familien erschossen. Die Familien verschleiern das, indem sie angeben, dass ihre Töchter Opfer einer zufälligen Schießerei wurden, zum Beispiel während Feierlichkeiten, bei denen oftmals Schüsse abgegeben werden. Doch die Wahrheit ist, dass die Frauen getötet wurden, um die Familienehre aufrechtzuerhalten.

Zwar gibt es im Irak Gesetze, die Frauen schützen sollen, doch die an der Regierung beteiligten religiösen Parteien schauen über „Ehrenmorde“ hinweg.

Flucht aus dem Irak

Meine Familie hat mich gefangengenommen und wollte mich töten, nachdem sie von meinem Plan erfuhr, den Irak zu verlassen. Doch meine Mutter und mein Bruder halfen mir, zum Flughafen zu kommen. Insbesondere die Unterstützung meines Bruders war wichtig, denn ohne männliche Begleitung dürfen Frauen nicht reisen und die behördlichen Stellen am Flughafen hätten meine Familie informiert, damit sie mich abholt. Meine Familie war daraufhin sehr wütend auf meinen Bruder und hat ihn ebenfalls verfolgt. Er lebt mittlerweile als Flüchtling in Ägypten und ist konfessionslos.

Zwischenstopp Jordanien

Ich kam als Erstes nach Jordanien, wo ich heiratete und sieben Jahre lang blieb. Allerdings war mein Ehemann gewalttätig, er vergewaltigte mich mehrfach. Seine Familie unterstützte ihn. Ein Nachbar gab mir schließlich den Tipp, dass ich als Frau aus dem Irak als Flüchtling im Sinne des UNHCR gelte. Ich entschied, meinem Leid ein Ende zu bereiten, nahm Kontakt mit dem UNHCR auf und bat um Hilfe, die sich jedoch wegen Corona hinauszögerte. Mein Mann bekam Wind davon und nahm mir all mein Geld und meinen Schmuck weg. Daraufhin ließ ich mich scheiden, allerdings erhielt ich keine offiziellen Scheidungspapiere, sondern nur Papiere, die mir die Scheidung im religiösen Sinne bestätigten. Doch das wusste ich zu dem Zeitpunkt nicht. Allerdings bekam ich jetzt weitere Unterstützung vom UNHCR – sozialer und psychologischer Art. Ich begann eine Ausbildung im krankenpflegerischen Bereich, was schon immer mein Traum war, meine Familie im Irak mir jedoch nicht erlaubt hatte.

Verstecken vor der eigenen Familie

Bald darauf reiste meine Familie nach Jordanien, um nach mir zu suchen. Wegen der Gefahr für mein Leben wurde ich in ein spezielles Programm für Flüchtlinge aufgenommen, das mich an einem geheimen Ort in einem Bezirk versteckte, wo überwiegend Christen wohnten. Ich musste meinen Wohnort dreimal wechseln, da sowohl meine Familie aus dem Irak als auch die Familie meines jordanischen Ex-Mannes mich mittlerweile verfolgten und ich um mein Leben fürchten musste. Schließlich halfen mir der UNHCR und eine irakische Organisation, juristisch gültige Scheidungspapiere zu erhalten. Als Folge der großen seelischen Belastungen litt ich mittlerweile unter der Autoimmunkrankheit Lupus, an Angstzuständen und Depressionen.

Über Spanien nach Deutschland

Mithilfe des UNHCR gelangte ich nach Spanien. Ich war völlig allein. Ich kam anschließend nach Deutschland und stellte einen Antrag auf Asyl. Ich hatte bereits angefangen, Deutsch zu lernen. Ende des letzten Jahres erhielt ich schließlich die Benachrichtigung, dass mein Antrag abgelehnt wurde, weil es vermeintlich keinen Asylgrund gäbe. Doch wenn ich in den Irak zurückmüsste, würde meine Familie mich töten, weil ich aus ihrer Sicht die Familienehre verletzt habe. Außerdem bin ich zum Christentum übergetreten, was sie mir nie verzeihen würden.

Leben im Flüchtlingslager als alleinreisende Frau

Im ersten Flüchtlingslager, dem ich in Deutschland zugewiesen wurde, gab es rd. 1000 Geflüchtete, hauptsächlich aus islamischen Ländern. Ich musste dort verschweigen, dass ich nicht mehr dem Islam angehöre. Als alleinreisende Frau hatte ich es zudem ständig mit indirekten Belästigungen zu tun, man ist dort praktisch „Freiwild“. Alle fragten mich, wo meine Familie sei. Ich musste jedes Mal lügen. Ich erzählte, dass meine Familie anderswo in Europa lebt. Denn Menschen aus dem mittleren Osten respektieren Frauen -schon gar nicht diejenigen ohne Familienanhang – nicht. Frauen dürfen belästigt werden, sie dürfen vergewaltigt werden, wenn sie als „schlecht“ oder „unehrenhaft“ gelten. Die Menschen in Europa verstehen nicht, dass das die Natur vieler Menschen aus dem Mittleren Osten, vor allem der aus Syrien und dem Irak ist. Die Menschen aus dem Mittleren Osten haben häufig wenig Bildung und denken oft sehr eindimensional, vor allem die religiösen Männer.

Zwar waren Frauen und Männer in den Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete getrennt untergebracht, doch natürlich gab es immer wieder Berührungspunkte, zum Beispiel beim Essen. Und ich wurde jedes Mal gefragt, warum ich allein unterwegs bin. Das alles nahm mich seelisch sehr mit. Ich kam deshalb in einer zweiten, auch muslimisch dominierten Aufnahmeeinrichtung in psychologische Behandlung, wo mir eine posttraumatische Belastungsstörung und eine Depression diagnostiziert wurde. Zum Glück erhielt ich dann Unterstützung von einem Mitglied der Frauenheldinnen und ich konnte in eine andere Aufnahmeeinrichtung ziehen, in der Menschen aus der Ukraine leben. Hier fühlte ich mich zum ersten Mal sicher vor Belästigung und Verfolgung. Ich sehe hier keine Menschen aus der arabischen Welt. Und ich kann zur Kirche gehen.

Rückkehr in den Irak bedeutet Tod

Was ich nicht verstehe: In der Ablehnung meines Asylbescheids wird mein Übertritt zum Christentum nicht erwähnt, obwohl ich ihn beim Gespräch mit dem BAMF angegeben hatte und allein diese Tatsache mein Leben bei einer Ausweisung in den Irak gefährden würde. Allerdings gab es beim BAMF einen muslimischen Übersetzer. Ich befürchte, er könnte diese Tatsache unterschlagen haben. Würde ich in den Irak zurückkehren müssen, würde meine Familie mich sofort töten. Ich übertreibe nicht. Das ist schon vielfach passiert.

Ich habe mittlerweile schreckliche Angstzustände und kann nicht schlafen. Ich fürchte mich vor jedem Klopfen an meiner Tür, vor jedem Polizisten. Es gibt für mich als alleinreisende und zum Christentum übergetretene Frau auch keine „Community“, die mich auffangen könnte. Als alleinreisende Frau bin ich ohnehin eine Außenseiterin, die belästigt werden darf.

Es gibt andere Frauen aus muslimischen Ländern, deren Asylgesuch in Deutschland abgelehnt wurde und die aus Verzweiflung dann einen muslimischen älteren Mann mit deutschem Pass geheiratet haben, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Das will ich nicht. Ich will nicht wieder in diese Kultur zurück, ich will mich nicht erneut in eine Abhängigkeit begeben. Und genau das wünsche ich mir auch für die anderen verzweifelten Frauen. Ich versuche mittlerweile, einigen zu helfen, denn es gibt kaum Anlaufstellen für Frauen, die sich aus diesen Abhängigkeiten befreien wollen. Viele von ihnen halten es für normal, dass arabische Männer, auch in Flüchtlingslagern, die vorgeben, zum Beispiel bei Behördengängen helfen zu wollen, sie belästigen oder auch sexuell ausnutzen. Das muss sich ändern.

* Shania ist auch in Deutschland nicht vor der Verfolgung durch Angehörige ihrer Familie und der ihres Ex-Manns nicht sicher. Sie befürchtet, dass es Verbindungen zu Exil-Irakern in Deutschland gibt. Ihr Name ist der Redaktion bekannt. Mitglieder der Frauenheldinnen haben Kontakt zu ihr und unterstützen sie vor Ort bei ihrem Kampf ums Aufenthaltsrecht.

 

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