Als Vorsitzende des Vereins Frauenheldinnen e.V. hat Eva Engelken für den Vorstand des Vereins eine kurze Stellungnahmen zum Referentenentwurf des Selbstbestimmungsgesetzes ( https://www.bmfsfj.de/resource/blob/224548/4d24ff0698216058eb758ada5c84bd90/entwurf-selbstbestimmungsgesetz-data.pdf) verfasst. Die Stellungnahme wurde fristgerecht am 30. März bei selbstbestimmungsgesetz@bmfsfj.bund.de eingereicht und das Einverständnis zur Veröffentlichung der Stellungnahme auf den Internetseiten von Bundestag, BMFSFJ und BMJ erklärt.
Unlautere Zielsetzung des sogenannten Selbstbestimmungsgesetzes
Die Zielsetzung des Selbstbestimmungsgesetzes (im Folgenden: Ref-E-SBGG) beruht auf einer ideologisch-motivierten Prämisse und ist unlauter. Es gibt vor, die Rechte einer Minderheit zu verbessern, während es in Wahrheit für alle Bürgerinnen und Bürger ein fundamentales Strukturmerkmal der Gesellschaft verändert. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz knüpft der Geschlechtseintrag nicht mehr an das biologische Geschlecht, sondern an eine fiktionale und nicht objektivierbare Größe namens Geschlechtsidentität an. Die Minderheit, um deren Besserstellung es der Gesetzesbegründung zufolge geht, ist gemäß dieser Begründung mit nur 2687 Verfahren im Jahr so klein, dass sie eine derart fundamentale Änderung nicht rechtfertigen kann.
Hohe Rechtsunsicherheit durch Abschaffung des „Strukturmerkmals Geschlecht“
Die Umsetzung der Zielsetzung erfolgt durch eine Anpassung der Rechtslage an die subjektive Vorstellung einzelner Personen und führt zu einer Vielzahl an Rechtsunsicherheiten, von denen hier die Wichtigsten dargestellt werden sollen.
Die bisherige Rechtslage aufgrund des Transsexuellengesetzes (TSG) und der Rechtsprechung ist eindeutig und verfassungsgemäß. Der Bundesgerichtshof unterscheidet zu Recht zwischen Menschen mit einer subjektiv empfunden Abweichung vom tatsächlichen Geschlecht und eingetragenem Personenstand und Menschen, bei denen objektiv nachweisbar Miss- oder Fehlbildungen der Geschlechtsorgane vorliegen, eine sogenannte Intersex-Kondition.
Menschen mit der Vorstellung nonbinär zu sein, benötigen keine eigene Regelung
Die erste Gruppe weist der BGH richtigerweise dem Anwendungsbereich des TSG zu; dieses ermöglicht Menschen, bei hohem Leidensdruck ein Verfahren, das zur Personenstandsänderung führt, durchlaufen zu können.
- Ausführlich hatte dies bereits das LAZ reloaded 2022 analysiert, siehe Stellungnahme LAZ-Reloaded: https://www.evaengelken.de/eindeutig-verfassungswidrig-gutachten-von-laz-reloaded-seziert-ampelplaene-zu-self-id-und-kostenuebernahme-fuer-selbstverstuemmelung-von-jugendlichen/
Lediglich der zweiten Gruppe – Menschen mit Intersex-Kondition – eröffnet § 45 b Personenstandsgesetz die Möglichkeit, sich ohne TSG-Verfahren einfach aufgrund eines ärztlichen Attests einem Geschlecht zuordnen und ggf. den Personenstand ändern zu können.
Anders als der Ref-E-SBGG impliziert, bedarf es für Menschen mit Sondervorstellungen hinsichtlich ihrer Geschlechtszugehörigkeit („non binär“) keiner eigenen gesetzlichen Regelung zur Geschlechtseintragsänderung. Sie können ebenfalls bei Bedarf das Verfahren nach dem TSG durchlaufen, falls das für sie von Bedeutung ist.
Ein Gefühl im Sinne eines nicht objektifizierbaren, individuellen Zustands sollte nicht zum Anknüpfungspunkt einer gesetzlichen Regelung gemacht werden. Aus einem Gefühl einen Regelungsbedarf abzuleiten, der für die Allgemeinheit Gültigkeit beansprucht, widerspricht den Grundsätzen ordnungsgemäßer, verfassungsmäßiger gesetzgeberischer Tätigkeit.
Keine internationale Konvention zwingt Deutschland, ein verfassungswidriges Gesetz zu erlassen
Es besteht auch keine entsprechende internationale Verpflichtung des deutschen Gesetzgebers. Diese Suggestion führt in die Irre. Es kann naturgemäß aus einer UN-Agenda keine völkerrechtliche Verpflichtung erwachsen, die deutsche Rechtslage dahingehend zu ändern, dass sie verfassungswidrig wird, was mit der Einführung des „Selbstbestimmungsgesetzes“ passieren würde.
Das Ansinnen, den Personenstandswechsel per Sprechakt beim Standesamt vollziehen zu können, widerspricht der Verfassung und der höchstrichterlichen BGH-Rechtsprechung.
Das Bundesverfassungsgericht hat klar festgestellt, dass der Personenstand im Rechtsverkehr eine Beweisfunktion einnimmt. Er hat deswegen nicht beanstandet, dass an einen Personenstandswechsel hohe Voraussetzungen geknüpft sein müssen.
- Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss des Ersten Senats vom 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16 – Fehlender positiver Geschlechtseintrag für Intersexuelle, http://www.bverfg.de/e/rs20171010_1bvr201916.html
Ein Personenstandswechsel per Sprechakt lässt sich beliebig vollziehen, was seine Beweiskraft senkt. Die vom Gesetzgeber in § 2 Absatz 2 Ref-E-SBGG geforderte zusätzliche Versicherung des Transitionierenden ersetzt die wegfallenden Hürden nicht; ein Antragsteller kann die Ernsthaftigkeit seines Transitionsverlangens interessengeleitet bestätigen, ohne dass eine objektive Instanz seine Glaubwürdigkeit überprüft.
Missbrauch wird nicht verhindert
Zudem enthält der Ref-E-SBGG keine sonstige zufriedenstellende Absicherung gegen Missbrauch. Ein solcher Missbrauch entsteht unter anderem dann, wenn Männer die Möglichkeit nutzen, durch Selbstdefinition als Frau in Frauenräume einzudringen. Der Gesetzgeber räumt de facto in § 6 Absätze 2–4 Ref-E-SBGG ein, dass die biologische Realität des weiblichen bzw. männlichen Körpers durch gesetzliche Fiktionen wie den Geschlechtseintrag nicht abbedungen werden kann – weder in Schutzräumen, noch im Sport noch in der Medizin. Damit räumt er ein, dass Missbrauch möglich ist.
Daraus leitet er in § 6 Absatz 2 Ref-E-SBGG das Zugeständnis an Verantwortliche für Einrichtungen, Räume und Veranstaltungen ab, dass sie den Zugang gemäß ihrem Hausrecht regeln können.
§ 6 Wirkungen der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen
(2) Betreffend den Zugang zu Einrichtungen und Räumen sowie die Teilnahme an Veranstaltungen bleiben das Hausrecht des jeweiligen Eigentümers oder Besitzers und das Recht juristischer Personen, ihre Angelegenheiten durch Satzung zu regeln, unberührt.
Diese Regelung wirkt auf den ersten Blick wie ein Zugeständnis an die Inhaber des Hausrechts, mit dem sie u.a. den Schutz der Intimsphäre von Gästen – also von Frauen gegenüber Männern, die sich als Frauen definieren – wahren können.
Laut Gesetzesbegründung zum Ref-E-SBGG würde die Regelung „Saunabetreibern als Inhabern des Hausrechts nach aktueller Rechtslage und auch nach dem Inkrafttreten des SBGG“ erlauben, „einzelnen Personen nach individuellen Faktoren mit Rücksicht auf das natürliche Bedürfnis nach dem Schutz der Intimsphäre oder auch auf die Befürchtung einer Belästigung oder sexuellen Belästigung der anderen Nutzenden den Zutritt zu verwehren.“
Bei näherer Prüfung wird ersichtlich, dass dieser Schutz – insbesondere von Frauen – wirkungslos bleibt.
- Die Zutrittsverweigerung gibt es nur in Bezug auf Einzelpersonen, nicht in Bezug auf Gruppen.
- Zudem verstoßen Hausrechtsinhaber mit einem solchen Einzelausschluss gegen das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot nach § 19 Absatz 1 AGG. Sie können sich für die Ungleichbehandlung der betreffenden Personen lediglich auf das Vorliegen eines sachlichen Grundes berufen. Ein solcher sachlicher Grund sei – so die Gesetzentwurfsbegründung – gemäß 20 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 AGG das „Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit“.
Damit erlegt der Gesetzgeber den Hausrechtsinhabern die Aufgabe auf – im Interesse der betroffenen Frauen – den Ausschluss von Männern, die sich als Frauen definieren, im Einzelfall durchzuführen und zu begründen.
Das ist schwer durchführbar, denn es birgt das Risiko, gegen das Offenbarungsverbot zu verstoßen.
Darüber hinaus lässt die Ausnahmevorschrift außer Acht, dass es für Einrichtungen eine Rufschädigung bedeuten kann, Männer, die sich nonbinär oder als Frauen definieren, auszuschließen.
Im Ergebnis ist das Zugeständnis eine in Gesetzesform gegossene Augenwischerei.
§ 13 und § 14 Bußgeld für Benennung der Realität
Als besonders unausgewogen, da einseitig das Interesse der Personenstandswechsel begehrenden Personen bevorzugend, erscheinen die §§ 13 und 14 Ref-E-SBGG.
Das sogenannte Offenbarungsverbot bestraft die Nichtakzeptanz einer Höhergewichtung der Fiktion gegenüber der Realität, indem es der Geschlechtsidentität (=Fiktion) einen höheren Rang als dem Geschlecht (=Realität) einräumt.
Wer die Fiktion nicht anerkennt, indem er weiterhin die Realität benennt, riskiert, den Tatbestand des mit bis zu 10.000 Euro bußgeldbewehrten Offenbarungsverbots zu erfüllen.
Schon der Begriff des „Offenbarens ohne Zustimmung“ erzeugt Rechtsunsicherheit, da „offenbaren“ begriffsnotwendigerweise eine zu offenbarende, also unbekannte Tatsache voraussetzt.
Bei der Geschlechtszugehörigkeit, um deren Offenbarung es in der Vorschrift (§ 13 Ref-E-SBGG) geht, fehlt es jedoch fast immer an der Möglichkeit der Offenbarung, da die Geschlechtszugehörigkeit gerade bei erwachsenen Männern, die die Legalfiktion des Frauseins beanspruchen, in der Regel evident ist. Die zutreffende Wahrnehmung des menschlichen Geschlechts ist eine evolutionär bedingte Grundfähigkeit des Menschen.
Das wirft die Frage auf, ob das Offenbaren einer evidenten Tatsache den Tatbestand des Offenbarens erfüllen kann.
Das rechtliche Vorgehen von Mitgliedern von Lobbyorganisationen, z.B. im Fall von Janka Kluge/dgti e.V. gegen Reichelt/Pleiteticker gegen die Bezeichnung als „Mann“, lässt erwarten, dass sie auch das Benennen offenkundiger oder zumindest öffentlich bekannter Geschlechtszugehörigkeit unter ein weit gefasstes „Offenbarungsverbot“ subsumiert wissen wollen.
Damit ist nicht nur das Recht der Allgemeinheit auf freie Rede und Meinungsäußerung in Gefahr, sondern es besteht auch ein hohes Risiko, dass Frauen ihr Recht auf Erhalt von geschlechtsspezifischen Schutzräumen und Wahrung ihrer Intimsphäre nicht mehr durchsetzen (können) werden.
Das geplante Selbstbestimmungsgesetz zwingt Frauen zum Lügen oder zum Rechtsverstoß
Eine Frau (oder Einrichtung oder Veranstalterin), die einem Mann – ungeachtet seiner eingetragenen Geschlechtszugehörigkeit – den Zutritt zu ihren Räumen verweigern will, müsste auf die Frage, warum sie die betreffende Person nicht in ihren Räumen haben will, ehrlicherweise antworten, dass es daran liege, dass die Person – ungeachtet ihrer eingetragenen Geschlechtszugehörigkeit – ein Mann sei. Damit riskiert sie jedoch zwangsläufig einen Verstoß gegen das Offenbarungsverbot.
Das erzeugt für Frauen ein verfassungsrechtlich unzumutbares Dilemma: Angesichts der (außerordentlich hohen) Bußgelddrohung aus § 14 Ref-E-SBGG dürfte sich jede Frau – (oder Einrichtung oder Veranstalterin) – gründlich überlegen, ob sie einen Rechtsverstoß und ein Bußgeld riskiert, um ihre Rechte in Anspruch zu nehmen. Oder ob sie sich unter Inkaufnahme einer Rechteerosion der Bußgelddrohung des § 14 Ref-E-SBGG beugt.
Unzureichend erscheinen die in §§ 13 und 14 genannten Rechtfertigungsgründe, die ein „Offenbaren“ gestatten: Der Person, die die Fakten durch Offenbaren benennen möchte, wird auferlegt, aktiv ein „öffentliches Interesse“ oder ein „rechtliches Interesse“ glaubhaft zu machen. Es kann jedoch keiner Frau zugemutet werden, ein „öffentliches“ oder „rechtliches Interesse“ glaubhaft zu machen, nur weil sie einen Mann – ungeachtet seiner eingetragenen Geschlechtszugehörigkeit – nicht in ihren Schutzräumen zulassen möchte.
Auch das Tatbestandsmerkmal des § 14 Absatz 1, der für ein Offenbaren eine Schädigungsabsicht erfordert, kann das rechtliche Risiko einer Frau, die ihre Rechte in Anspruch nehmen möchte, nicht mildern. Im Lichte der Transgender-freundlichen Öffentlichkeit, welche bereits bloße Kritik an der gesamten Self-ID-Gesetzgebung als „Hass“ oder „Phobie“ betitelt, steht zu befürchten, dass die Schädigungsabsicht sehr weit gefasst wird und bereits mit dem Aussprechen der Realität (z.B. dass ein Mann trotz „Legalfiktion weiblich“ biologisch ein Mann bleibt) als erfüllt angesehen wird.
Insgesamt haben Bundesjustizministerium und Bundesfamilienministerium mit dem Ref-E-SBGG einen Referentenentwurf vorgelegt, der in unzumutbarer Weise in Grundrechte eingreift, darunter insbesondere das Gleichstellungsstaatsziel aus Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz, die Meinungs- und Redefreiheit aus Artikel 5 und die elterliche Fürsorge aus Artikel 6. Der Entwurf operiert in an Gustav Radbruchs Zitat vom gesetzgeberischen Unrecht erinnernden Art und Weise mit Annahmen, Fiktionen und einer Sprache, die die Handschrift von Ideologen trägt.
– https://de.wikipedia.org/wiki/Radbruchsche_Formel
Einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht würde der Entwurf nicht standhalten. Der Gesetzgeber gibt in § 10 selbst zu erkennen, dass er die Geschlechtsidentität nicht für einen adäquaten Anknüpfungspunkt für den Geschlechtseintrag hält. Welche Gründe dürften sonst dafür sprechen, den Personenstandswechsel im Sicherheits- und Verteidigungsfalls auszuschließen, wenn nicht der Grund, einen Wechsel von Mann zu Frau auszuschließen und damit ein sich-Entziehen zum Wehrdienst?
Mönchengladbach, 30. Mai 2023
Weitere kritische Stellungnahmen zum Transgesetz
Die Initiative Lasst Frauen sprechen hat sich die Mühe gemacht, alle möglichen kritischen Stellungnahmen aufzulisten, danke für den Aufwand! Eine sehr lohnende Lektüre: