World Hijab Day

War­um ein „World-Hijab-Day“ nicht nur ana­chro­nis­tisch, son­dern auch schäd­lich ist

von | 1.02.24

Foto von Rendy Novantino auf Unsplash

Seit 2013 wird jähr­lich am 1. Febru­ar der „Welt-Hijab-Tag“ zele­briert. Nach Eigen­aus­kunft der gemein­nüt­zi­gen World-Hijab-Day Orga­niza­ti­on dient die­ser Tag der „Aner­ken­nung der Mil­lio­nen mus­li­mi­scher Frau­en, die sich dafür ent­schie­den haben, den Hijab zu tra­gen und ein Leben in Beschei­den­heit zu füh­ren.“ Auf ihrer Web­sei­te fin­den sich im Blog aktu­el­le Bei­trä­ge u.a. zu „Isla­mo­pho­bie“, „Leben in Beschei­den­heit, um Beloh­nung zu ern­ten“ und der Erfah­rungs­be­richt einer 14-jäh­ri­gen Schü­le­rin.

Doch es gibt Gegen­stim­men, die das Kopf­tuch auf dem Haupt mus­li­mi­scher Frau­en kri­tisch sehen. Was das isla­mi­sche Kopf­tuch mit dem Grund­ge­setz, der „All­ge­mei­nen Erklä­rung der Men­schen­rech­te“ und unse­rer frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Ord­nung zu tun hat erläu­tert Astrid War­burg-Man­they.

Astrid War­burg-Man­they, 30.01.2024

Erneut fin­det am ers­ten Febru­ar der sog. World-Hijab-Day statt. Die­ser Tag, der die Ver­schleie­rung der mus­li­mi­schen Frau­en fei­ert, ist ein Ana­chro­nis­mus in der heu­ti­gen Zeit, und zudem eine War­nung, wel­chen Ein­fluss der poli­ti­sche Islam gewinnt. Übri­gens gewählt in Anleh­nung an den Beginn der Revo­lu­ti­on 1979 im Iran, bei der der fun­da­men­ta­lis­ti­sche Islam unter Füh­rung des dama­li­gen Aya­tol­lah Kho­mei­ni durch die Mul­lahs ein bis heu­te wäh­ren­des tota­li­tä­res isla­mi­sches Regime auf­ge­baut hat, des­sen Poli­tik und Vor­ge­hen nicht nur die Frau­en mas­siv beschränkt.

Die vor­geb­li­che Inten­ti­on des „World-Hijab-Day“ ist, mehr „Ver­ständ­nis“ für mus­li­mi­sche Frau­en zu för­dern. Doch wer sich mit dem Islam und der weib­li­chen Ver­schleie­rung befasst, wird schnell erken­nen, dass es kei­ne expli­zi­te Vor­schrift im Koran gibt, die die Ver­schleie­rung gleich wel­cher Form von Frau­en for­dert. Lei­der hat auch die Indus­trie die Grup­pe der fun­da­men­ta­lis­ti­schen Mus­li­me als kauf­kräf­ti­ge Kund­schaft ent­deckt, und die „Mode­st fashion“ erdacht. Schon der Begriff „mode­st“ als „züch­tig“, „scham­haft“, „beschei­den“, „anstän­dig“ zeigt, in wel­cher Rol­le Frau­en und Mäd­chen hier gese­hen wer­den sol­len.

„Nun soll also durch den „World-Hijab-Day“ Ver­ständ­nis für die mus­li­mi­sche Frau bewirkt wer­den.“

Der Kampf der Frau­en um Gleich­be­rech­ti­gung, Frei­heit und Selbst­be­stim­mung besteht in Deutsch­land seit weit über 100 Jah­ren, in denen das Wahl­recht für Frau­en hier gefei­ert wird. Dazu gehört auch die eigen­stän­di­ge Ent­schei­dung des­sen, was, wann und wie an Beklei­dung getra­gen wird. Die Zei­ten sind zumin­dest recht­lich vor­bei, in denen eine Frau, die ver­ge­wal­tigt wur­de, der Mit­schuld bezich­tigt wor­den ist, den Täter zu der Tat „ani­miert“ zu haben, weil sie einen kur­zen Rock am Abend in dunk­ler Gegend getra­gen hat.
Wir sind uns – zum Glück – heu­te einig, dass ein sexu­el­ler Über­griff nicht dem Opfer schuld­haft ange­las­tet wer­den kann, wie lan­ge im Sin­ne einer Täter-Opfer-Umkehr gesche­hen, son­dern allein der Täter für sein Han­deln Ver­ant­wor­tung trägt.

Nun soll also durch den „World-Hijab-Day“ Ver­ständ­nis für die mus­li­mi­sche Frau bewirkt wer­den. Wir erle­ben par­al­lel, dass in fun­da­men­ta­lis­ti­schen isla­mi­schen Län­dern die Frau­en unter Ein­satz ihres Lebens dar­um kämp­fen, den Schlei­er, das Kopf­tuch, den Hijab, Tscha­dor, Nikab, Bur­ka usw. able­gen zu kön­nen. All die­se For­men der Ver­schleie­rung haben einen Sinn und Zweck: die Frau in der Öffent­lich­keit unsicht­bar zu machen. Es sol­len Män­ner „nicht in Ver­su­chung geführt“ wer­den. Dahin­ter steht ein Ehr­be­griff, der der Frau einer­seits Ver­ant­wor­tung für alles, auch das Han­deln der Män­ner zuweist, ande­rer­seits aber sie jeg­li­cher Eigen­stän­dig­keit und Ver­ant­wor­tung beraubt. Ihre „Ehre“ und damit auch die der Fami­lie, beson­ders die des Man­nes, ist nur unver­sehrt, wenn kei­ne Berüh­rung, auch nicht durch frem­de Bli­cke erfol­gen kann.

Einer­seits wird der Kör­per der Frau als „sün­dig“, „Ver­su­chung“ dar­ge­stellt, und muss vor den Bli­cken der Män­ner „geschützt“, also bedeckt wer­den, um nicht „beschmutzt“ und dann „unrein“ zu sein. Gleich­zei­tig gilt die Frau per se jedoch als unrei­nes, min­der­wer­ti­ges Wesen, des­sen Sein dazu dient, den Mann zu ver­füh­ren, deren Sinn jedoch dar­in zu sehen ist, Kin­der zu gebä­ren und für den Fort­be­stand der Umma zu sor­gen.

„Der Begriff der Frei­heit, Selbst­be­stim­mung und Eigen­stän­dig­keit ist in den indi­vi­dua­lis­ti­schen Gesell­schaf­ten ganz anders gewer­tet als in den kol­lek­ti­vis­ti­schen isla­mi­schen Gesell­schaf­ten.“

Sexua­li­tät ist zwar abso­lut tabui­siert und dem pri­va­ten Raum vor­be­hal­ten, doch durch die Ver­schleie­rung in der Öffent­lich­keit ist die gesam­te Frau sexua­li­siert, und die­se Sexua­li­sie­rung ist im All­tag über­all vor­han­den.
Das gilt jedoch nicht nur für erwach­se­ne Frau­en, son­dern gera­de in euro­päi­schen Län­dern sind zuneh­mend klei­ne Mäd­chen, oft im Kin­der­gar­ten­al­ter zu sehen, die schon einen Hijab tra­gen.

Obwohl selbst in den fun­da­men­ta­lis­ti­schen Län­dern Frau­en erst mit Beginn der Men­ar­che einen Schlei­er tra­gen müs­sen. Denn der Ein­tritt in die Puber­tät gilt als Geschlechts­rei­fe, in der die Frau, in die­sem Fall das Mäd­chen, für den Mann sexu­ell inter­es­sant, weil gebär­fä­hig gese­hen wird. Umso absur­der ist es also, wenn schon klei­ne Mäd­chen Hijab tra­gen und als poten­zi­el­les Sexu­al­ob­jekt gese­hen wer­den.

Trotz der all­ge­mei­nen Reli­gi­ons­mün­dig­keit mit 14 Jah­ren ist es nicht glaub­haft, dass ein mus­li­mi­sches Mäd­chen aus einer fun­da­men­ta­lis­ti­schen, min­des­tens jedoch kon­ser­va­ti­ven Fami­lie mit 14 Jah­ren eine selbst­stän­di­ge Ent­schei­dung für einen Hijab oder Kopf­tuch fäl­len kann.

Denn der Begriff der Frei­heit, Selbst­be­stim­mung und Eigen­stän­dig­keit ist in den indi­vi­dua­lis­ti­schen Gesell­schaf­ten ganz anders gewer­tet als in den kol­lek­ti­vis­ti­schen isla­mi­schen Gesell­schaf­ten. Dort unter­liegt das Mäd­chen nicht nur in der Fami­lie, son­dern auch in der Com­mu­ni­ty, deren Ein­fluss und Kon­trol­le. Von daher ist die selbst­be­stimm­te freie Ent­schei­dung zur Ver­schleie­rung beson­ders bei jun­gen Frau­en in Fra­ge zu stel­len.

Inter­es­san­ter­wei­se sind die Zah­len von sexu­el­len Über­grif­fen in den mus­li­mi­schen Län­dern wesent­lich höher als die in den west­li­chen, auf­ge­klär­ten Staa­ten. Obwohl hier nach letz­ten Unter­su­chun­gen lei­der auch schon jede 3. bis 4. Frau im Lau­fe ihres Lebens ein oder mehr­fach sexu­el­le Über­grif­fe erlebt hat.

Der Logik der Ver­schleie­rung fol­gend müss­te die Zahl der sexu­el­len Über­grif­fe in den isla­mi­schen Län­dern aus­ge­spro­chen gering sein und sich aus­schließ­lich auf Frau­en bezie­hen, die unver­schlei­ert sind. Das ist jedoch nicht der Fall. Län­der wie Ägyp­ten haben eine so exor­bi­tant hohe Zahl an Frau­en, die sexu­el­le Gewalt erfah­ren, die im dia­me­tra­len Gegen­satz zur impli­zi­ten Logik des Schut­zes vor Über­grif­fen durch Ver­schleie­rung, den Hijab steht. Der Hijab wie auch jede ande­re ver­meint­lich „isla­misch“ begrün­de­te Form der Ver­schleie­rung der Frau, erst recht von Mäd­chen, soll zwar als „Schutz“ vor männ­li­chen Über­grif­fen die­nen, hat jedoch dies­be­züg­lich über­haupt kei­ne Wir­kung.

Ein wei­te­rer, in den letz­ten Jah­ren nicht nur in Deutsch­land wie­der in den Fokus gera­te­ner Aspekt, neben der Rück­kehr der Tali­ban in Afgha­ni­stan und dem erneu­ten Rück­fall dort in die alten Unter­drü­ckungs­me­cha­nis­men der Mäd­chen und Frau­en, ist der Kampf der ira­ni­schen Frau­en (und Män­ner) für die Frei­heit von Hijab, Kopf­tuch und Tscha­dor. Sich nicht ver­schlei­ern zu müs­sen als Sym­bol für die Frei­heit und Gleich­be­rech­ti­gung von Frau­en und Män­nern.

„Mitt­ler­wei­le ist der Mord an der jun­gen kur­di­schen Ira­ne­rin Jina Mah­sa Ami­ni zum Syn­onym der welt­wei­ten Unter­stüt­zung des Kamp­fes der ira­ni­schen Frau­en, über­haupt aller Frau­en, gegen das Kopf­tuch gewor­den.“

Unzäh­li­ge vor­ran­gig jun­ge Frau­en, die es wagen, ohne Ver­schleie­rung auf die Stra­ße zu gehen, die sich in den sozia­len Medi­en unver­schlei­ert zei­gen, die offen dafür kämp­fen, dass die Ver­schleie­rung der Frau ein Ende hat, wer­den vom Regime der Mul­lahs ver­haf­tet, gefol­tert, hin­ge­rich­tet. Nur weni­ge Fäl­le wer­den publik, es besteht eine regel­rech­te Tötungs­ma­schi­ne­rie, in der täg­lich Men­schen durch das Regime der Mul­lahs von der Reli­gi­ons­po­li­zei auf­ge­grif­fen, miss­han­delt, gefol­tert und ermor­det wer­den.

Muti­ge Frau­en wie die in Deutsch­land leben­de, welt­weit ver­netz­te Ira­ne­rin Mina Aha­di, Grün­de­rin des „Zen­tral­rats der Ex-Mus­li­me“, infor­mie­ren über die unzäh­li­gen Ver­haf­tun­gen und Mor­de und ver­su­chen, die­sen Men­schen, die vom Regime inhaf­tiert auf ihre Ermor­dung war­ten, eine Stim­me zu geben. Mina steht stell­ver­tre­tend für vie­le, die ver­su­chen, poli­tisch und kon­kret, die­sen Men­schen zu hel­fen.

Mitt­ler­wei­le ist der Mord an der jun­gen kur­di­schen Ira­ne­rin Jina Mah­sa Ami­ni zum Syn­onym der welt­wei­ten Unter­stüt­zung des Kamp­fes der ira­ni­schen Frau­en, über­haupt aller Frau­en, gegen das Kopf­tuch gewor­den. Das Kopf­tuch ist das sicht­ba­re Sym­bol des fun­da­men­ta­lis­ti­schen Islam, und die Paro­le „Jin. Jihan. Azadi. – Frau­en. Leben. Frei­heit.“ wird welt­weit als For­de­rung für die Befrei­ung aus der Unter­drü­ckung durch isla­mi­sche, männ­lich domi­nier­te Herr­schaft ver­wen­det.

Alle fun­da­men­ta­lis­ti­schen Grup­pen des Islam for­dern die Ver­schleie­rung von Frau­en, und auch in einst­mals säku­la­ren Län­dern wie der Tür­kei nimmt der isla­mi­sche Fun­da­men­ta­lis­mus – und damit auch die Ver­schleie­rung – lei­der wie­der gra­vie­rend zu.
Und vor die­sen welt­wei­ten Ent­wick­lun­gen und Gescheh­nis­sen soll par­al­lel, nicht nur hier in Deutsch­land, wie­der ein „World-Hijab-Day“ erfol­gen?

An Absur­di­tät ist das nicht zu über­bie­ten, wenn in ande­ren Tei­len der Welt Men­schen unter Lebens­ge­fahr dafür kämp­fen, die Frei­heit von der Ver­schleie­rung zu erlan­gen, und in einem auf­ge­klär­ten, demo­kra­ti­schen, sich qua Ver­fas­sung der Gleich­be­rech­ti­gung ver­pflich­te­ten Deutsch­land soll ein Sym­bol des fun­da­men­ta­lis­ti­schen, miso­gy­nen Islam gefei­ert wer­den?

„Vor allem die Reli­gi­ons­kri­tik am Islam ein­schließ­lich sei­ner fun­da­men­ta­lis­ti­schen Strö­mun­gen wird pau­schal mit „Ras­sis­mus“ und „Rechts­po­pu­lis­mus“ gleich­ge­setzt.“

Frau­en­rech­te sind auch in Deutsch­land nicht gefes­tigt, son­dern selbst nach vie­len Jah­ren noch fra­gil. Femi­nis­tin­nen set­zen sich hier seit Beginn des letz­ten Jahr­hun­derts gegen alle For­men eines reli­gi­ös-patri­ar­cha­len Fun­da­men­ta­lis­mus mit sei­nen vor­ge­schrie­be­nen Geschlech­ter­rol­len und vor­auf­klä­re­ri­schen Ansich­ten ein. Heu­te geht die Gefahr jedoch weni­ger von einem ortho­do­xen Chris­ten­tum aus, son­dern vom fun­da­men­ta­lis­ti­schen Islam.

Des­halb ist umso erstaun­li­cher, dass in man­chen Krei­sen das Hin­ter­fra­gen des Kopf­tuchs, aber auch von Prak­ti­ken wie der Fema­le Geni­tale Muti­la­ti­on („Beschnei­dung“), Frü­he­he, Zwangs­ver­hei­ra­tung und arran­gier­te Ehen als ras­sis­tisch, isla­mo­phob oder (neo)kolonialistisch gilt. Vor allem die Reli­gi­ons­kri­tik am Islam ein­schließ­lich sei­ner fun­da­men­ta­lis­ti­schen Strö­mun­gen wird pau­schal mit „Ras­sis­mus“ und „Rechts­po­pu­lis­mus“ gleich­ge­setzt. Die Vor­wür­fe sind so vehe­ment, teils denun­zia­to­risch gewor­den, dass sie die Debat­te ver­gif­ten, und nicht­re­li­giö­se sowie reli­giö­se säku­la­re und libe­ra­le Kräf­te zum Schwei­gen brin­gen. Von dem Ver­stum­men kri­ti­scher, auf­ge­klär­ter Stim­men pro­fi­tiert in ers­ter Linie die Reli­giö­se Rech­te. Neben ande­ren rech­ten Grup­pen, wie wir aktu­ell bei den zahl­rei­chen Demons­tra­tio­nen pro Hamas und Paläs­ti­nen­ser erle­ben. Auch die Hamas ist übri­gens eine fun­da­men­ta­lis­ti­sche isla­mi­sche Grup­pe, was vie­len nicht bekannt zu sein scheint.

„Jede Frau, jedes Mäd­chen, hat das Recht auf eine freie, gleich­be­rech­tig­te Ent­wick­lung, hin zu einem auf­ge­klär­ten, selbst­be­stimm­ten Men­schen.“

Wie wir in Deutsch­land seit Jah­ren sehen kön­nen, erlebt der fun­da­men­ta­lis­ti­sche Islam in Form des poli­ti­schen Islam enor­men Auf­trieb. Erschre­ckend sind nicht nur die zahl­rei­chen jun­gen Men­schen, dar­un­ter auch Frau­en, die sich zum Sala­fis­mus und Dschi­ha­dis­mus radi­ka­li­sie­ren, son­dern auch die Stra­ßen und Vier­tel vie­ler Städ­te, in denen es fast nur noch ver­schlei­er­te Frau­en, oft sogar unter Voll­ver­schleie­rung wie dem ira­ni­schen Tscha­dor oder gar der Bur­ka zu sehen sind.

Und das, obwohl Deutsch­land das Grund­ge­setz hat, das doch im Fall der Ver­schleie­rung – und dabei sind vor allem die ers­ten vier Rech­te des Grund­ge­set­zes rele­vant – eigent­lich Mäd­chen und Frau­en als gleich­be­rech­tigt sieht und dem­zu­fol­ge vor männ­li­cher, reli­gi­ös kon­no­tier­ter Unter­drü­ckung schüt­zen soll­te!

Die Unver­letz­bar­keit der Wür­de des Men­schen (Art. 1 GG), die freie Ent­fal­tung der Per­sön­lich­keit (Art. 2 GG) und damit die Art, sich zu klei­den, die Gleich­be­rech­ti­gung der Geschlech­ter (Art. 3 GG) und das Grund­recht auf Reli­gi­ons­frei­heit (Art. 4 GG) sind Arti­kel des Grund­ge­set­zes, die die­sen Schutz beinhal­ten müss­ten.

Ein eher­ner Grund­satz der deut­schen Rechts­sys­te­ma­tik ist der, dass die Grund­rech­te als gleich­wer­tig gel­ten. Da es in der Pra­xis natür­li­cher­wei­se zu Kol­li­sio­nen kommt, bedient sich die Recht­spre­chung des Prin­zips der Güter­ab­wä­gung, um im Ein­zel­fall zu ent­schei­den, wel­chem (Grund-)Recht grö­ße­re Bedeu­tung zuge­mes­sen wird. Mit wel­cher Ten­denz die­se Abwä­gung erfolgt, wird maß­geb­lich von den gesell­schaft­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen und poli­ti­schen Stim­mungs­la­gen beein­flusst. Daher müs­sen wir gera­de in Zei­ten eines wach­sen­den poli­ti­schen Islam die mühe­voll erkämpf­ten Rech­te der Frau­en schüt­zen und dür­fen nicht zwi­schen auto­chtho­nen deut­schen und mus­li­mi­schen Mäd­chen und Frau­en unter­schei­den. Denn jede Frau, jedes Mäd­chen, hat das Recht auf eine freie, gleich­be­rech­tig­te Ent­wick­lung, hin zu einem auf­ge­klär­ten, selbst­be­stimm­ten Men­schen.

Beson­ders Art. 3 GG (Gleich­be­rech­ti­gung) und der Art. 4 GG (Reli­gi­ons­frei­heit) ste­hen hier im Kon­flikt. Laut Art. 3 GG för­dert der Staat „die tat­säch­li­che Durch­set­zung der Gleich­be­rech­ti­gung von Frau­en und Män­nern und wirkt auf die Besei­ti­gung bestehen­der Nach­tei­le hin“. Die­ser Ver­pflich­tung wider­spricht die Akzep­tanz und Auf­recht­erhal­tung von reli­giö­sen Vor­stel­lun­gen und Dog­men, die gegen die Men­schen­rech­te ver­sto­ßen. Die Gleich­be­rech­ti­gung von Frau und Mann hat als Aus­druck der Men­schen­wür­de über vor­auf­klä­re­ri­schen reli­giö­sen Ansich­ten zu ste­hen. Im Fal­le einer Abwä­gung muss folg­lich der Gleich­be­rech­ti­gung Vor­rang ein­ge­räumt wer­den.

Der Arti­kel 4 GG (Reli­gi­ons­frei­heit) meint die posi­ti­ve (freie Reli­gi­ons­aus­übung) eben­so wie die nega­ti­ve Reli­gi­ons­frei­heit (Frei­heit von Reli­gi­on). Er wird heu­te immer mehr als Instru­ment der Durch­set­zung der posi­ti­ven Reli­gi­ons­frei­heit ver­stan­den, und berei­tet so den Weg in Rich­tung Fun­da­men­ta­lis­mus und Frau­en­un­ter­drü­ckung. Die bei­de dem Geis­te die­ses Grund­rechts ekla­tant wider­spre­chen; vor allem, wenn man das Pro­blem aus der Per­spek­ti­ve der Unver­letz­bar­keit der Men­schen­wür­de Art. 1 GG („Die Wür­de des Men­schen ist unan­tast­bar“) betrach­tet.

Wie erläu­tert, ent­wür­digt die Ver­schleie­rung Frau­en, weil sie die­se auf einen angeb­lich „sün­di­gen“, „ver­füh­ren­den“ Kör­per redu­ziert. Die Ver­schleie­rung aus Grün­den der Reli­gi­ons­frei­heit zu akzep­tie­ren, heißt daher, Geschlech­ter­apart­heid und ein Sym­bol des Isla­mis­mus, der nicht zuletzt auch die Reli­gi­ons­frei­heit ablehnt, zu tole­rie­ren.

Eben­so muss Art. 2 GG (freie Ent­fal­tung der Per­sön­lich­keit), auch im Gesamt­ver­ständ­nis der Ver­fas­sung, für ein Ver­bot der Ver­schleie­rung spre­chen. Denn die­se hat ja gera­de den Zweck, eine freie per­sön­li­che Ent­fal­tung zu ver­hin­dern. Sie soll Frau­en in der Öffent­lich­keit unsicht­bar machen, sie raubt Frau­en ihre Indi­vi­dua­li­tät. Die­se Ent­per­sön­li­chung macht die Frau zu einem Objekt, was in kras­sem Wider­spruch zum Grund­ge­setz steht.

Auch die „All­ge­mei­ne Erklä­rung der Men­schen­rech­te“ ist im Hin­blick auf die Ver­schleie­rung ein­deu­tig, denn die­se wider­spricht den Arti­keln 1–3, der Frei­heit, Gleich­heit, Brü­der­lich­keit – dem Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot – und dem Leben, der Frei­heit und Sicher­heit der Per­son. Denn die Ver­schleie­rung knüpft die­se Rech­te indi­rekt an die Klei­dung. Neben Arti­kel 12 (Frei­heits­sphä­re) ist auch Arti­kel 18, die nega­ti­ve Reli­gi­ons­frei­heit, zu berück­sich­ti­gen. Ganz beson­ders ist Arti­kel 2 her­vor­zu­he­ben: „Jeder hat Anspruch auf die in die­ser Erklä­rung ver­kün­de­ten Rech­te und Frei­hei­ten ohne irgend­ei­nen Unter­schied, etwa nach Ras­se, Haut­far­be, Geschlecht, Spra­che, Reli­gi­on, poli­ti­scher oder sons­ti­ger Über­zeu­gung, natio­na­ler oder sozia­ler Her­kunft, Ver­mö­gen, Geburt oder sons­ti­gem Stand.“ Arti­kel 30 schließ­lich legt fest: „Kei­ne Bestim­mung die­ser Erklä­rung darf dahin aus­ge­legt wer­den, dass sie für einen Staat, eine Grup­pe oder eine Per­son irgend­ein Recht begrün­det, eine Tätig­keit aus­zu­üben oder eine Hand­lung zu bege­hen, wel­che die Besei­ti­gung der in die­ser Erklä­rung ver­kün­de­ten Rech­te und Frei­hei­ten zum Ziel hat.“ Genau das liegt aber vor, wenn unter Beru­fung auf die Reli­gi­ons­frei­heit die Men­schen­rech­te der Frau­en ein­ge­schränkt, und an das Tra­gen bestimm­ter Klei­dungs­stü­cke gekop­pelt wer­den.

„Die Ver­schleie­rung aus Grün­den der Reli­gi­ons­frei­heit zu akzep­tie­ren, heißt, Geschlech­ter­apart­heid und ein Sym­bol des Isla­mis­mus, der nicht zuletzt auch die Reli­gi­ons­frei­heit ablehnt, zu tole­rie­ren.“

Das bedeu­tet posi­tiv und kon­kret gefasst für Frau­en, dass das Recht auf Gleich­be­rech­ti­gung in allen Berei­chen gesetz­lich ver­an­kert ist, nicht nur vor dem Gesetz, auch in der Arbeits­welt; bei den Bil­dungs- und Kar­rie­re­chan­cen wie bei der Tei­lung der Fami­li­en­ar­beit. Eben­so haben sie das Recht auf Selbst­be­stim­mung in Sexua­li­tät und in allen Lebens­ent­schei­dun­gen wie Part­ne­rIn­nen­schaft, Hei­rat, Mut­ter­schaft, Berufs­wahl und Teil­nah­me am öffent­li­chen Leben, die Frei­heit von Rol­len­zwän­gen und allen For­men von Gewalt.

Der Hijab behin­dert Frau­en in allen Berei­chen, denn in der Umkehr bedeu­tet es, dass eine unver­schlei­er­te Frau so nicht der in der isla­mi­schen Com­mu­ni­ty gewünsch­ten Geschlech­ter­rol­le ent­spricht, und das Risi­ko besteht, dass sie ent­spre­chend respekt­los behan­delt und als „min­der­wer­tig“ gese­hen wird.

Wir sehen, dass der Hijab als Sym­bol der isla­mi­schen Ver­schleie­rung und eines fun­da­men­ta­lis­ti­schen Ver­ständ­nis­ses eines patri­ar­chal-archai­schen Islam ein Geschlech­ter- und Rol­len­ver­ständ­nis trans­por­tiert, das nicht nur in unse­rer west­li­chen Welt voll­kom­men ana­chro­nis­tisch ist, son­dern auch die­je­ni­gen Grup­pen unter­stützt, die mit ihrer fun­da­men­ta­lis­ti­schen Aus­le­gung des Islam unse­rem Ver­ständ­nis von Frei­heit, Auf­klä­rung, Gleich­be­rech­ti­gung, Demo­kra­tie und Men­schen­rech­ten ent­ge­gen lau­fen.

Astrid War­burg-Man­they für die Terre des Femmes Städ­te­grup­pe Ham­burg und WIP/Women in Power

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Pressemitteilung zur Kundgebung am 11.05.2024

Frau­en­hel­din­nen zei­gen Flag­ge gegen „Mus­lim Inter­ak­tiv“ und für Frau­en­rech­te

Am Sams­tag­nach­mit­tag durf­te in Ham­burg erneut die extre­mis­ti­sche Grup­pie­rung „Mus­lim Inter­ak­tiv“ eine Kund­ge­bung ver­an­stal­ten. „Mus­lim Inter­ak­tiv“ setzt isla­mi­sche Regeln über das Gesetz und ord­net Frau­en einen min­de­ren Platz in der Gesell­schaft zu. Grund genug für die Frau­en­hel­din­nen e.V., vor Ort zu sein und mit einer Gegen­kund­ge­bung von 15–17 Uhr Flag­ge zu zei­gen. „Wir las­sen uns unse­ren Platz in der Gesell­schaft nicht von Fana­ti­kern zu- oder aberken­nen. „Mus­lim Inter­ak­tiv“ soll­te ver­bo­ten wer­den“ sagen die Mit­glie­der des Ver­eins.

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