Am 29.2.2024 referierte Beate Lindemann im Kompetenznetzwerk der Frauenheldinnen zum Thema Transitionswunsch, Körperbewusstsein und Erziehungsverantwortung.
Fragen & Antworten im Gespräch mit Beate Lindemann
FrauenheldinnenMagazin (FHM): Liebe Beate, hilft es jungen Menschen, per Pubertätsblocker, Hormonbehandlung oder OP ihren Körper ihrem gefühlten Geschlecht anzupassen, so wie das Bundesfamilienministerium sagt?
Beate Lindemann (BL): Wer als junger Mensch das Gefühl hat, „trans“ zu sein, möchte eine eigene innere Not lösen. Aber wenn die Umwelt diese Not nicht mehr als Not bezeichnet, sondern es als tolle Idee feiert, den Körper zu verletzen und sich von den eigenen realen Gegebenheiten zu entfernen, lässt man die Betroffenen alleine, auch wenn diese das in dem Moment nicht sehen können. Es ist kein gesunder Weg, das wahrgenommene Ungleichgewicht so zu lösen, wie die Transgendertheorie es vorgibt: indem man in der Meinung, man habe ein anderes Geschlecht, man habe nicht den physischen Körper, der dazu passt, glaubt, den Körper anpassen zu müssen.
FHM: Nun fordert das Bundesfamilienministerium Erziehungsverantwortliche auf, ein Kind in seiner Wahrnehmung als „trans“ zu unterstützen. (https://www.regenbogenportal.de/informationen/homosexuelle-heilen)
BL: Wenn man jungen Menschen zumutet, sich gesunde Organe entnehmen zu lassen – und darauf läuft es bei der sogenannten Transition hinaus – geht das nur mit einer verzerrten Wahrnehmung. Machen Erziehungsverantwortliche mit und verdrehen die Wahrnehmung der jungen Leute noch mehr, führt das dazu, dass die irgendwann gar nicht mehr unterscheiden können zwischen gesund und Verstümmelung, zwischen möglich und unmöglich. Junge Menschen haben noch nicht den Erfahrungshintergrund und die psychische und geistige Reife, um zu verstehen, dass man andere Lösungen finden kann, dass es sie gibt und dass vieles wieder „richtig herum“ gedreht werden kann – auch ohne Hormone und Operationen. Hier sind wir Erwachsenen gefragt, mutig und selbstbewusst zu sein und wieder ein Fels in der Brandung für die Kinder und jungen Leute zu werden. Kinder und Jugendliche müssen erfahren, dass es andere Wege als die Transition gibt, damit sie wieder klar werden. Diesen Part müssen die Erwachsenen übernehmen, indem sie Grenzen setzen und Nein sagen.
FHM: Haben Erziehungsverantwortliche überhaupt noch so viel Einfluss oder zählt ab einem bestimmten Alter nur noch die Peergroup? Instagram und Tiktok spielen ja auch eine wichtige Rolle.
BL: Mangelnder Einfluss kommt oft auch daher, dass sich die Eltern zurückgezogen haben. Zudem scheuen manche Eltern und womöglich auch die eine oder andere Lehrkraft die Konfrontation. Aber es ist ihre erzieherische Verantwortung, die Realität zu vermitteln und Kindern einen Weg aufzuzeigen, wie sie körperlich und gesund bleiben und ihre Selbstheilungskräfte unterstützen können. Es gibt gute Eltern und es gibt tolle Lehrer und Lehrerinnen, die klar, stark und witzig sind. Die braucht es heutzutage mehr denn je. Instagram und Tiktok haben keinen so starken Einfluss, wenn das Kind ein starkes Umfeld hat, das sie so okay findet, wie sie sind.
FHM: Nun wird den Eltern und indirekt den Lehrern ja unglaublich Druck gemacht. Es heißt zum Beispiel, Kinder würden sich umbringen, wenn sie ihren Namen nicht ändern oder keine Hormone nehmen dürften. Wie wappnet man sich dagegen?
Es wird zurzeit sehr viel von außen in die Familien und die Fürsorgepflicht der Eltern hineinregiert. Da zieht sich eine regelrechte Zwickmühle von außen um die Familien herum. Es ist unvorstellbar, was Eltern teilweise erleben. Sie fragen sich: „Wie kann es sein, dass das Kind völlig verdreht ist und am Ende einen versehrten Körper hat?“ Ich rate dazu, sich selbst und dem eigenen Instinkt und Wissen zu vertrauen. Selbstbewusste Erwachsene, die spüren, wer sie sind und was richtig und was falsch ist, können 1000 Stürme aushalten und lassen sich nicht umstimmen.
FHM: Wie sollte man als Elternteil oder Lehrkraft damit umgehen, wenn man wegen seiner kritischen Haltung als „transfeindlich“ beschimpft wird?
Als Erstes sollte man sich im persönlichen Umfeld stärken. Man weiß ja, dass man nicht „feindlich“ ist, sondern nur eine andere Sicht hat. Man darf die eigene Wahrnehmung wertschätzen. Menschen, die keine verzerrte Wahrnehmung oder andere Problematiken haben, wissen eigentlich sehr genau, was Kinder und Jugendliche brauchen und was nicht, und wo Schutz notwendig ist.
Ein ganz wichtiges Stichwort ist die Fürsorge. Ich sage Eltern und Lehrern gerne: „Machen Sie sich klar, worum es Ihnen bei Ihrer Haltung gegen körperliche und psychische Eingriffe geht: Es geht Ihnen um die Fürsorge für die Kinder, darum, ihnen zu ermöglichen, ihr ganzes Leben lang gesundheitlich intakt und unversehrt leben zu können.“ Die Gesundheit ist ein hohes Gut. Und die erhält man nicht, indem man die Unversehrtheit des Körpers bewusst aufgibt.
Natürlich verursacht es auch Angstgefühle, anzuecken, Gegenwind zu bekommen oder gar ausgeschlossen zu werden aus Kreisen, die der Transtheorie anhängen. Anzuecken ist der Preis, den man für den Mut bezahlt. Mut hat immer einen Preis. Aber nicht mutig zu sein auch. Zum Beispiel den Verlust der Unversehrtheit.
FHM: Welche Argumente kann man den Transbefürwortern entgegenhalten?
Oft wissen Leute gar nicht, was eine „Transition“ für extreme Folgen für Kinder und Erwachsene hat: Dass es da nicht um ein bisschen Toleranz oder Offenheit geht, sondern um „geschlechtsangleichende Operationen“, die für die betroffenen Kinder eines Tages konkrete Verstümmelungen bedeuten und die Kinder lebenslang zu Patienten machen. Eltern, die sogenannt „kritisch“ sind und Nein zu Hormonen und der Transition insgesamt sagen, wollen ihre Kinder beschützen, und das ist eine sehr gesunde Reaktion. Als Schule bzw. Lehrkraft muss man diesen Eltern den Rücken stärken und ihnen beistehen. Sie machen, was Eltern tun sollten: gut für ihre Kinder sorgen und deren Unversehrtheit schützen.
Ein weiteres Argument ist die natürliche Wahrnehmung unserer Sinne. Wenn wir uns für die Transtheorie entscheiden, müssen alle anderen, die sich nicht „trans“ fühlen oder dieser Theorie nicht folgen, ihre Wahrnehmung verzerren und sich dazu zwingen, sich selbst nicht zu glauben, was man doch eigentlich in Wahrheit spürt. Oder wir sagen, dass es zwei Geschlechter und diverse Rollen gibt.
FHM: Was kann man tun, wenn man als Elternteil erfährt, dass das eigene Kind gegen den Elternwillen bereits Hormone oder Pubertätsblocker erhält?
BL: Man sollte sich selbst so viel Gutes tun wie nur möglich, um stark zu bleiben und nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. Man ist ja überwältigt und ausgeliefert, wenn „die“ etwas mit dem eigenen Kind tun. Je stärker man ist, desto besser kann man mit der Situation umgehen. Gefühle sollte man am besten nur häppchenweise zulassen, so viel, wie man jeweils aushält. Ganz wichtig ist es, sich mit anderen zu vernetzen. Die Betroffenen nehmen jeden Eingriff als massive Bedrohung wahr und die Öffentlichkeit bestärkt sie darin. Mit Gleichgesinnten kann man besser dagegenhalten.
FHM: Welche Therapien helfen den betroffenen Kindern und Jugendlichen?
Es sollten Therapien sein, mit denen junge Menschen und Kinder sich wieder langsam mit ihrem Körper anfreunden können. Hier gibt es vieles an Hilfreichem – ähnlich wie bei Körperbild-Störungen, bei Magersucht oder bei Gewaltfolgen. Aber natürlich ist das wie bei allen Therapien: Es geht nur mit der Zustimmung der PatientInnen. Therapien dürfen nicht erzwungen sein. So wie auch Kinder nicht in eine Theorie hineingepresst werden sollten, die ihre Unversehrtheit zum Preis hat. Ein wichtiger Teil jeder Therapie ist die Suche nach den darunterliegenden Nöten des Kindes.
FHM: Worin bestehen die Nöte, die unter dem Sich-anders-fühlen liegen?
Eigentlich geht es bei vielen Betroffenen um das Gefühl, nicht klarzukommen mit ihrer Homosexualität in einer sexistischen, sexualisierten Welt. Oder weil sie einfach anders sind, z.B. autistisch oder etwas anderes, das aus der Norm fällt. Aber Gefühle sind eben kein anderes Geschlecht.
Auch kann es sein, dass sich die Eltern ganz unbewusst immer einen Jungen gewünscht haben, und das dann unbewusst auf ihre Tochter übertragen. Oder es kann sein, dass Mütter es nicht aushalten, einen Sohn zu haben, weil sie selbst so viel Gewalt durch einen Mann erlebt haben, als sie klein waren. Davon kann sich dann unbewusst etwas auf das Kind übertragen, in dem Sinne, dass der Junge kein Junge, sondern ein Mädchen sein will, weil er tief drin spürt: ‚Meine Mutter oder mein Vater lehnt mich als Sohn eigentlich ab‘.
Solche unbewussten Ablehnungen sind mir im Laufe meines Engagements für Kinderschutz und erwachsene Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Kindheit öfters begegnet. Das ist ganz schwer für manche Eltern und deren Kinder, und die können da nichts dafür. Trotzdem muss man für beide etwas tun.
Auch gegenüber Mädchen kommt es z.B. vor, dass die Mütter es einfach nicht ertragen, dass die Tochter genauso wie sie selbst Opfer werden könnte. Daraus kann dann innerlich der oft unbewusste Wunsch entstehen, dass die Tochter doch lieber ein Sohn wäre, da sie dann stärker und besser geschützt wäre. Das kann dann bei der Tochter dazu führen, dass die sich selbst nicht aushalten kann und diffuse Ängste und abwehrende Gefühle gegenüber ihrem Mädchensein entwickelt.
FHM: Haben sich Kinder, die das Gefühl haben, „trans“ zu sein, von ihrem Körper abgespalten?
Es kann sein, dass Kinder, die Schlimmes erlebt haben, dissoziieren. Dissoziieren ist eine Traumafolge, bei der sich Kinder von ihrem Körper und bestimmten Empfindungen und Erinnerungen abspalten, um zu überleben, und tatsächlich gibt es auch einige, die sich dann wie ein Junge oder ein Mädchen fühlen, bis hin zu der Wahrnehmung, eigentlich einen Körper wie das andere Geschlecht zu haben. Solche Vorstellungen, die sich ganz real anfühlen, dienen dem Überleben, weil sie sich dann geschützter fühlen.
Aber man sollte die Ursachen erforschen, so dass die jungen Leute aus ihrem Überlebensmuster herauskommen und wirklich frei werden, ohne dass ihre Wahrnehmung weiter verdreht oder gar ihr Körper zerstört wird.
FHM: Warum sind Therapeuten den Eltern und Lehrkräften oft keine gute Hilfe?
Therapeuten sind mit Strafe bedroht, wenn sie ein Kind nicht affirmativ behandeln.
Kinder und Jugendliche bekommen gar keine Alternativen mehr aufgezeigt, sobald sie sagen, sie fühlten sich „trans“. Alle Gruppen, alle Vereine, alle medizinischen und psychologischen Anlaufstellen sind dazu angehalten affirmativ zu behandeln. Das ist gesetzlich so seit 2020. Das ist anders als in jeder anderen Therapie, in der man ja immer offen behandelt und nie zu etwas gezwungen wird, natürlich immer in einem gewissen Wertesystem, auf ethischen Grundlagen. Aber bei Trans wurden ganz andere Wege beschritten. Eltern sollten sich Therapeuten suchen, die den Mut haben, Kinder und Jugendliche trotz Konversionstherapienverbot explorativ anstatt affirmativ zu behandeln.
FHM: Wie vermittelt man als Lehrkraft den Mitschülern die eigene Entscheidung gegen die Gendertheorie?
Es ist wichtig, klar und zugleich achtsam und liebevoll mit den betroffenen Kindern zu kommunizieren. Auch die anderen Kinder sollen natürlich achtsam sein, weil sich ihre Mitschülerin XY zurzeit anders und innerlich nicht gut fühlt. Denn das ist schlimm und nicht einfach. Diese Kinder, die sagen, sie fühlten sich „trans“, sind ja in einer inneren Not und möchten dem einen Namen geben – aber sie haben eben ganz andere Nöte, die darunter liegen. Und darüber kann und sollte man sprechen.
FHM: Warum ist es so schwer, Kindern und Jugendlichen zu helfen und warum ist es so wichtig es trotzdem zu versuchen?
Das Tragische ist, dass sich die jungen Leute auf Grund ihrer Wahrnehmungsverzerrung und der massiven Beeinflussung in ihrer Verfassung nicht sehen können. Sie denken, dass ihnen von ihren Kritikern die Existenz entzogen würde. Deshalb muss man ihnen auf eine Art helfen, die ihre Verzerrungen nicht fördert. Es ist wichtig, ihnen zu vermitteln, dass man auch mit dem gegebenen Körper und dem Namen, den man von seinen Eltern bekommen hat, viele Wege gehen kann. Und dass man sich sicher und angenommen fühlen kann, auch wenn man das Gefühl hat, anders zu sein.