Aus Lesbenkreisen wird Kritik am „Dachverband Lesben und Alter“ laut. Fragwürdig ist, dass in der von ihm herausgegebenen „Erhebung zur sozialen Lebenssituation von älteren Lesben*“ ausdrücklich sogenannte „Lesben mit Stern“ zur Teilnahme aufgerufen sind. Zum anderen wurde zur bundesweiten Jahrestagung vom 15. bis 17. November in Rostock Prof. Sabine Hark, eine Gallionsfigur des frauenfeindlichen Queerfeminismus als Hauptrednerin eingeladen. Es hagelt Proteste.
Louisa Burek widmet sich dem Thema in einer Glosse, frei nach Jean de LaFontaine.
In der freien Wirtschaft wäre der Vorstand eines Verbands, der die Interessen seiner Mitglieder missachtet, längst in die Wüste geschickt worden.
Nehmen wir mal als Beispiel den Häschen-Verband. Dieser Zusammenschluss von alten und jung gebliebenen Häschen hat eine lange Tradition. Bisher waren dort Vereine organisiert, die sich einig waren: „Häschen sind Häschen!“
Die Häschen waren autonom und arbeiteten ehrenamtlich. Sie hielten eine glorreiche Häschen-Kultur aufrecht, sorgten für Rammler-freie Räume und trafen sich jeweils in einer der weitverzweigten Häschen-Kolonien zu Versammlungen. Sie nannten sich Schwestern.
Nun wird seit geraumer Zeit beobachtet, dass immer mehr andere Vereine, die ganz andere Ziele haben, diesem Häschen-Verband beitreten. Darunter auch Vereine des mächtigen Hähnchen-Verbands wie auch solche, die mit diesem Verband sympathisieren. Ihr Slogan lautet: „Auch Hähnchen sind Häschen! Es lebe die Vielfalt aller Unterdrückten!“ Sie krähen herum, stolzieren mit gesträubten Federn über den Häschen-Hof und behaupten, sie seien die richtigen, die einzig wahren Häschen.
Viele der Häschen sind eingeschüchtert. Die Terh, diejenigen Häschen die wie die griechische Kassandra immer nur warnen und rummotzen, werden als erstes isoliert und in die rechtsradikale Ecke gestellt. Die meisten anderen Häschen aber klopfen begeistert mit ihren Hinterpfötchen, wackeln mit ihren kleinen, weißen Puschelschwänzchen und wünschen sich insgeheim auch so schöne Schwanzfedern, die in allen Farben des Regenbogens schillern. „Hähnchen sind Häschen“, rufen sie im Chor. „Hähnchen sind Häschen – kein Diskussionsbedarf!“
Mit solch einer – fast 99prozentigen – Zustimmung hatte der Hähnchen-Verband ja gar nicht gerechnet. Und so schnell. Naja, er hat ja auch die besseren Argumente. Schließlich ist er mächtig und sehr, sehr reich. Eigentlich gar kein Verband, sondern ein Freundesbund weltoffener und daher einflussreicher Lobbyisten mit den besten Verbindungen in Regierung und Wirtschaft. Und in die Medizin.
Er wiederholt gebetsmühlenartig, dass die armen Hähnchen, die immer durch Diskriminierungen bis hin zum Tod – nicht nur auf dem Grill – in ihrer vielschichtigen Existenz bedroht sind. Sie können nur durch eine neue Identität geschützt werden. Wenn man den Hähnchen nur ihr lautes Kikiriki abgewöhnen könnte, ihr Gockelgehabe und ihre scharfen Klauen stutzen! Aber egal, wenn sie sagen, dass sie Häschen sind, dann sind sie auch Häschen.
Bald werden die Hähnchen im Häschen-Verband die Mehrheit haben. Der Vorstand des Häschen-Verbands ziert sich noch. Jedenfalls bis vor kurzem. „Wir sind doch Häschen und wollen für andere Häschen nur das Beste.“ „Ach“, winken die Ober-Hähnchen lässig ab, „das könnt ihr doch weiterhin. Wir lassen euch auf euren Posten, verleihen euch ein paar Preise, zum Beispiel für eure Tapferkeit gegen die Störerinnen beim Häschen-Dyke-March und für eure Anpassungsfähigkeit. Wir geben euch Geld für bunte Broschüren, für Fortbildungen in Hähnchen-Seminaren und wir finanzieren eure jährlichen Tagungen.“ „Aber“, rufen die Vorstands-Häschen ängstlich, „die Referentinnen. Werden die nicht zur Revolte aufrufen?“ „Keine Sorge, soweit wird‘s nicht kommen. Die Referentinnen, die stellen doch wir. Und die wissen genau was ne „Hark“-e ist. Schließlich bezahlen wir ja auch die ganze Chose.“
Als Vorbereitung schickt der Häschen-Verband schon mal Fragebögen durch die Republik. Er nennt die Befragung „Bundesweite Erhebung für Häschen*55+“. Es geht um würdevolles Altern der Häschen und ihre soziale Lebenssituation. Das Sternchen meint selbstverständlich all die Hähnchen mit. Der Vorstand beteuert: „Nur dieses eine Mal, nur für diesen Fragebogen“. Erstmals können sich an der Umfrage auch Hähnchen beteiligen. Der Stern weist ihnen den Weg. Immerhin werden sie demnächst im Pass als „Häschen“ geführt. Sie wollen selbstbestimmt als Häschen leben.
Das ist ein Schutz für die Hähnchen. Während sich die Häschen immer in ihren Bau verziehen können, stehen die armen Hähnchen ganz allein auf dem Misthaufen. Sie brauchen Mitgefühl und Pflege. Dank des Häschen-Verbands verstehen das die meisten Häschen endlich und sorgen sich fortan mehr um die Hähnchen, als um ihre Schwester-Häschen.
Der Häschen-Vorstand ist als gutes Beispiel vorangegangen. Schon vor Monaten begrüßte er das Gesetz, wonach sich jeder – ob Rammler oder Hahn – zum Häschen erklären kann. Nicht einmal – außer im Briefkopf – ist in der Stellungnahme zum Gesetz die Rede von den Häschen. Die Mithäschen-Versammlung wurde dazu auch nicht befragt. Häschen könnte es bald nicht mehr geben. Jedenfalls nicht unter diesem Dach. Wie gesagt: in der freien Wirtschaft hätte man so einen Vorstand schon längst geschasst.