In unseren bisherigen rechtlichen Schritten gegen die Kinderwunschmesse „Wish for a Baby“ lag der Schwerpunkt auf dem öffentlichen Recht (Ordnungsbehörden, Verwaltungsgericht) sowie dem Strafrecht (Strafanzeige wegen verbotener Werbung, Vermittlung und Anbahnung nach AdVermiG und ESchG).
Ein weiterer möglicher Rechtsweg, der inzwischen auch von unserem Prozessfinanzierer angesprochen wurde, betrifft das Wettbewerbsrecht, insbesondere das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
Wir haben deshalb gutachterlich prüfen lassen, ob eine wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage gegen die Messe bzw. die dort werbenden internationalen Agenturen möglich wäre.
1. Ausgangspunkt: Rechtswidrige Werbung kann unlauterer Wettbewerb sein
Nach § 3a UWG ist geschäftliches Handeln unlauter, wenn es gegen eine Marktverhaltensregel verstößt – also gegen ein Gesetz, das gerade das Marktgeschehen ordnen soll.
Die Verbote des AdVermiG und des Embryonenschutzgesetzes – insbesondere:
- §§ 13c–13d AdVermiG (Verbot von Werbung, Vermittlung und Anbahnung von Leihmutterschaft)
- § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG (Verbot der Eizellspende)
sind solche Marktverhaltensnormen.
Wer in Deutschland für verbotene reproduktionsmedizinische Leistungen wirbt, handelt daher unzumutbar wettbewerbswidrig.
Damit ist der Rechtsverstoß klar, und ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch wäre dem Grunde nach denkbar.
2. Problem: Frauenheldinnen sind selbst kein „Mitbewerber“ im Sinne des UWG
Eine UWG-Klage kann nur erheben, wer nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG Mitbewerber ist.
Mitbewerber ist, wer ähnliche oder austauschbare Leistungen anbietet und dadurch mit dem rechtsverletzenden Anbieter im Wettbewerb steht.
Das trifft auf uns als Frauenheldinnen e. V. eindeutig nicht zu, da wir keine reproduktionsmedizinischen Leistungen anbieten und demnach nicht mit Kliniken oder Agenturen konkurrieren. Abgesehen davon ist unsere Tätigkeit gemeinnützig.
Eine UWG-Klage wäre daher nur möglich, wenn ein echter Wettbewerber aus dem Bereich der Reproduktionsmedizin den Rechtsverstoß angreift.
3. Wer könnte eine solche UWG-Klage erheben?
In Betracht kommen insbesondere:
A) Deutsche Kinderwunschzentren (IVF/ICSI-Kliniken)
Diese Einrichtungen:
- behandeln dieselbe Patientengruppe wie die auf Kinderwunschmessen werbenden Anbieter,
- unterliegen strengen rechtlichen Beschränkungen,
- haben ein wirtschaftliches Interesse daran, dass illegale Werbung unterbunden wird.
Für sie besteht die stärkste Klagebefugnis.
B) Universitäre reproduktionsmedizinische Abteilungen
Diese zeichnen sich aus durch:
- hohe regulatorische Compliance,
- wissenschaftliche Standards,
- professionelles Interesse an fairen Marktbedingungen.
Auch sie könnten eine Unterlassungsklage geeigneter begründen.
C) Größere private Kinderwunschkliniken mit mehreren Standorten
Diese Anbieter haben:
- ein ausgeprägtes wirtschaftliches Interesse am Schutz ihres Marktes,
- eigene Rechtsabteilungen,
- Sensibilität für Wettbewerbsverzerrungen.
Sie wären besonders prädestiniert, illegale Konkurrenten in ihre Schranken zu weisen.
4. Warum könnten diese Kliniken zögern?
Trotz eindeutiger Rechtslage könnte es Hemmnisse geben:
Hemmnis 1: Angst, als Nestbeschmutzer oder als zu konservativ wahrgenommen zu werden
Viele Kliniken sind vorsichtig, sich öffentlich zu positionieren, weil sie:
- Patientengruppen nicht verprellen möchten,
- sich nicht in moralische Debatten hineinziehen lassen wollen,
- Sorge vor negativer Presse haben.
Hemmnis 2: Furcht vor Konflikten mit internationalen Partnern
Einige Kliniken arbeiten bei Diagnostik, Laborleistungen oder wissenschaftlichen Projekten mit ausländischen Einrichtungen zusammen – und möchten diese Beziehungen nicht gefährden.
Hemmnis 3: Sorge vor öffentlicher Sichtbarkeit
Niemand möchte im Zentrum eines medialen oder politischen Konfliktes stehen.
5. Warum ein Vorgehen für seriöse Kliniken dennoch sinnvoll wäre
Trotz der Hemmnisse gibt es gewichtige Gründe, weshalb seriöse deutsche Kinderwunschkliniken sich gegen illegale Werbung positionieren könnten:
Grund 1: Schutz des eigenen Marktes
Illegale Werbung schafft Wettbewerbsvorteile für ausländische Anbieter, die deutsches Recht umgehen. Rechtskonforme Kliniken werden dadurch strukturell benachteiligt.
Grund 2: Wahrung der medizinethischen Standards
Ausländische Programme werben teilweise mit:
- Geschlechtsauswahl,
- Mehrlingsreduktion,
- Paketpreisen,
- „Garantien“,
– alles unvereinbar mit deutschem Recht und ärztlicher Ethik.
Grund 3: Patientenschutz
Deutsche Kliniken berichten bereits von Patientinnen, die nach Messekontakten völlig unrealistische Erwartungen entwickeln.
Überlegung 4: Kliniken müssen sich öffentlich nicht outen
Eine Klinik müsste für eine UWG-Klage nicht an die Öffentlichkeit gehen. Die Klage würde: über Anwälte geführt und birgt entsprechend kein Reputationsrisiko. So könnten sie Marktinteressen schützen, ohne in eine politische Debatte hineingezogen zu werden.
6. Fazit: UWG-Klage möglich – aber nur durch Wettbewerber
Eine wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage gegen die Kinderwunschmesse und deren ausländische Anbieter ist dem Grunde nach ein durchaus erfolgversprechender Ansatz.
Allerdings:
- Frauenheldinnen sind nicht klagebefugt.
- Klagebefugt wären deutsche Kinderwunschzentren und reproduktionsmedizinische Einrichtungen, die sich an gesetzliche Vorgaben halten.
- Diese könnten auf Grundlage von § 8 i. V. m. § 3a UWG gegen illegal werbende Anbieter vorgehen – auch ohne öffentliche Sichtbarkeit.
Wir prüfen derzeit, ob und inwieweit eine solche Kooperation mit seriösen Wettbewerbern möglich ist und welche rechtlichen Schritte sich daraus ergeben würden.
