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Reem Alsalem adressiert Bundesregierung in 17-seitigem Schreiben

UN-Sonderberichterstatterin rügt Deutschland wegen Selbstbestimmungsgesetz

von | 20.08.24

Bild: UN Women/Ryan Brown | Flickr | CC-Lizenz: BY-NC-ND 2.0

Bild: UN Women/Ryan Brown | Flickr | CC-Lizenz: BY-NC-ND 2.0

Eine Zusam­men­fas­sung von Gun­da Schu­mann, LAZ rel­oa­ded e.V.
Zuerst ver­öf­fent­licht auf der Web­site von LAZ rel­oa­ded

Rüge von der UN

Reem Alsa­lem, die Son­der­be­richt­erstat­te­rin über Gewalt gegen Frau­en und Mäd­chen, ihre Ursa­chen und Fol­gen bei den Ver­ein­ten Natio­nen, hat sich das für Frau­en und Mäd­chen desas­trö­se „Selbst­bestimmungs­gesetz“ vor­ge­nom­men und der deut­schen Außen­mi­nis­te­rin, Anna­le­na Baer­bock, aus der Per­spek­ti­ve des huma­ni­tä­ren Völ­ker­rechts eine schal­len­de Ohr­fei­ge erteilt! Die­ser war das kei­ne eige­ne Ant­wort wert: Sie beauf­trag­te die Stän­di­ge Ver­tre­tung Deutsch­lands bei den Ver­ein­ten Natio­nen in Genf. Tenor der mage­ren Ant­wort: Stimmt alles nicht.

Worum geht es im Einzelnen?

Das offizielle Schreiben von Reem Alsalem

Reem Alsa­lem hat am 13. Juni 2024 ein offi­zi­el­les Schrei­ben an die deut­sche Außen­mi­nis­te­rin, Anna­le­na Baer­bock, als Mit­glied der deut­schen Bun­des­re­gie­rung gerich­tet.

Dar­in pran­gert sie die durch das SBGG schon jetzt zu ver­zeich­nen­den Ver­let­zun­gen der Men­schen­rech­te von Frau­en und Mäd­chen unter Völ­ker­rechts­ge­sichts­punk­ten an. Schwer­punk­te sind dabei

  • der Miss­brauch des recht­li­chen Geschlechts­wech­sels durch Kri­mi­nel­le, beson­ders Sexu­al­straf­tä­ter,
  • die Aus­höh­lung geschlechts­spe­zi­fi­scher Räu­me für Frau­en durch das Offen­ba­rungs­ver­bot samt Buß­geld­be­weh­rung,
  • die feh­len­de Garan­tie geschlechts­spe­zi­fi­scher Schutz­räu­me für weib­li­che Opfer sexu­el­ler Gewalt,
  • die Ver­un­mög­li­chung des Sam­melns geschlechts­spe­zi­fi­scher Daten zu Tätern und Opfern sexu­el­ler Gewalt durch den belie­bi­gen Geschlechts­wech­sel,
  • För­de­rung der (zukünf­ti­gen) risi­ko­be­haf­te­ten medi­zi­ni­schen Tran­si­ti­on durch die Ermög­li­chung der sozia­len Tran­si­ti­on beson­ders bei Mäd­chen,
  • Ver­nach­läs­si­gung der Rech­te des Kin­des (Recht auf Pri­vat­heit, auf Iden­ti­tät, Meinungs‑, Gewis­sens- und Reli­gi­ons­frei­heit), und
  • Ver­let­zung der Mei­nungs- und Reli­gi­ons­frei­heit wegen des Offen­ba­rungs­ver­bots und der Buß­geld­be­weh­rung, z.B. in den Berei­chen Frau­en­quo­ten­plät­ze oder im Frau­en­sport.

Als empi­ri­schen Beleg ihrer Kri­tik zitiert Reem Alsa­lem Zeu­gin­nen, die Opfer sexu­el­ler Gewalt gewor­den sind, weist Frau Baer­bock auf die Ver­pflich­tun­gen Deutsch­lands zur Ein­hal­tung der kodi­fi­zier­ten Men­schen­rech­te hin. Sie for­dert die Außen­mi­nis­te­rin auf, hier­zu aus­führ­lich Stel­lung zu neh­men.

Die Antwort der Ständigen Vertretung Deutschlands bei den Vereinten Nationen in Genf

Die Ant­wort der Stän­di­gen Ver­tre­tung Deutsch­lands bei den Ver­ein­ten Natio­nen in Genf (StÄV) vom 06. August 2024: Das SBGG ste­he im Ein­klang mit den Men­schen­rech­ten. Zitiert wer­den Art. 1 Abs. 2 und 2 Abs. 2 Grund­ge­setz (die­se gel­ten für Trans­se­xu­el­le), die Emp­feh­lung des Euro­pa­rats, (CM/rec(2010)5), Dis­kri­mi­nie­run­gen auf­grund der sexu­el­len Ori­en­tie­rung oder Geschlechts­iden­ti­tät abzu­schaf­fen, und diver­se Urtei­le des Euro­päi­schen Men­schen­rechts­ge­richts­hofs (EMRG). Haupt­ar­gu­men­te sind:

  • Das SBGG habe kei­nen Ein­fluss auf geschlechts­spe­zi­fi­sche Räu­me, allein maß­geb­lich sei das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG).
  • Die Gewalt – von „cis“-Männern – gegen Frau­en sei eine Tat­sa­che und die Sicher­heit von Frau­en­häu­sern im Inter­es­se der Bun­des­re­gie­rung.
  • Deutsch­land sei Unter­zeich­ner der Istan­bul-Kon­ven­ti­on und arbei­te gegen­wär­tig an einer Stra­te­gie der Bun­des­re­gie­rung zur Ver­hin­de­rung und Bekämp­fung von Gewalt gegen Frau­en und häus­li­cher Gewalt. Die Ursa­che der Gewalt gegen „cis“-Frauen, Trans­gen­der, nicht-Binä­re und inter­se­xu­el­le Per­so­nen habe gemein­sa­me Wur­zeln, die auf Miso­gy­nie und Geschlechts­rol­len­ste­reo­ty­pen basie­ren. Daher kom­me die Stär­kung der Rech­te von Trans­gen­der, nicht- Binä­ren und inter­se­xu­el­len Per­so­nen, die schäd­li­che Geschlechts­rol­len­ste­reo­ty­pe besei­ti­ge, auch Frau­en und Mäd­chen zugu­te (?!).
  • Fol­gen­de Insti­tu­tio­nen unter­stütz­ten das SBGG: Deut­scher Frau­en­rat, Deut­sches Insti­tut für Men­schen­rech­te, Amnes­ty Inter­na­tio­nal, Bun­des­ver­ei­ni­gung von Dienst­leis­tun­gen für Frau­en und Frau­en-Kri­sen-Tele­fon, der deut­sche Juris­tin­nen­bund und die Orga­ni­sa­ti­on der Frau­en­häu­ser. Die­se habe expli­zit das SBGG begrüßt und pran­ge­re beson­ders die zuneh­men­de Gewalt gegen inter­se­xu­el­le und trans Per­so­nen an, die sich weib­lich iden­ti­fi­zie­ren; sol­che Per­so­nen erhiel­ten nach sorg­fäl­ti­ger Prü­fung eben­falls Zugang zu den Frau­en­häu­sern (nicht nur auf­grund ihres Geschlechts­ein­trags). Anm.: Gen­der­kri­ti­sche Stim­men in Deutsch­land, beson­ders die der auto­no­men Frau­en- und Les­ben­be­we­gung, der poli­ti­schen Oppo­si­ti­on und der Ärz­tIn­nen­schaft, wer­den völ­lig aus­ge­blen­det.
  • Gewalt gegen trans­gen­der, inter­se­xu­el­le und nicht-binä­re Per­so­nen sei ange­stie­gen (Pre­do­mi­nant­ly Moti­va­ted Crime Report, 2022: 417; EU Agen­cy for Fun­da­men­tal Rights on LGBTIQ equa­li­ty: Ver­mehrt Opfer von Hass­kri­mi­na­li­tät; Zah­len s. https://fra.europa.eu/en/publication/2024/lgbtiq-crossroads-progress- and-chal­lenges).
  • Das Kin­des­wohl wer­de geschützt; die Sui­zid­ra­ten von trans­gen­der-Kin­dern sei­en alar­mie­rend (Anm.: Dies ist wis­sen­schaft­lich umstrit­ten, s. Deut­sches Ärz­te­blatt, 2022; 119(48): Wenn die Puber­tas gestoppt wird). Der Deut­sche Ethik­rat und der Kin­der­schutz­bund wür­den für die Unter­stüt­zung der Geschlechts­iden­ti­tät von Kin­dern ein­tre­ten (Letz­te­rer unter­stützt auch das SBGG).

Wei­ter beruft sich die StÄV auf eine Initia­ti­ve von (nur!) 28 Mit­glieds­staa­ten der Ver­ein­ten Natio­nen, ange­führt von Argen­ti­ni­en(!) und unter­stützt von 66 Orga­ni­sa­tio­nen, wel­che sich für die recht­li­che Aner­ken­nung der Geschlechts­iden­ti­tät durch Selbst­iden­ti­fi­zie­rung ein­set­zen wür­den.

Schließ­lich zitiert die StäV den Bericht des Hoch­kom­mis­sars für Men­schen­rech­te aus dem Jah­re 2019 und den des Unab­hän­gi­gen Exper­ten für Sexu­el­le Ori­en­tie­rung und Geschlechts­iden­ti­tät (SOGI) aus dem Jah­re 2018, wel­che sich für das­sel­be Ziel ein­ge­setzt haben.

Fazit der StÄV

Inter­es­sen­un­ter­schie­de zwi­schen Frauen/Mädchen und tran­si­den­ti­fi­zier­ten Män­nern gibt es nicht, die Stär­kung der Rech­te Letzt­ge­nann­ter kommt Frau­en und Mäd­chen zugu­te, da die Ursa­che der Dis­kri­mi­nie­rung bei­der Per­so­nen­grup­pen im Patri­ar­chat begrün­det sei.

An der Bekämp­fung von Gewalt gegen Frau­en von „cis“-Männern arbei­te die Bun­des­re­gie­rung. Gewalt von tran­si­den­ti­fi­zier­ten Män­nern gegen Frau­en exis­tiert nach die­ser Logik nicht. Im Gegen­teil: Erst­ge­nann­te sei­en zuneh­mend Opfer von Gewalt. Ihre poten­ti­el­le Täter­schaft als Män­ner wird nicht the­ma­ti­siert.

Hier steht Empi­rie gegen Ideo­lo­gie.

Gun­da Schu­mann ©

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